Frei nach Dostojewski: TART zeigt "Napoleon Raskolnikow im Schnee" in der Rampe. Jammern ist das Letzte Von Petra Mosbacher-Dix


15. Juli 2010

Life is a riddle." Schön lässig besingt der Cellist Scott Roller die Rätsel des Lebens, traktiert sein Instrument als wär"s ein Kontrabass. Seine jazzigen Rhythmen bringen die an der Wand sitzenden Männer in Bewegung. Zwei im Geschäftsanzug werfen Kronkorken in ein Waschbecken, das am Bühnenrand des Theaters Rampe montiert ist. Der im Rüschenhemd wankt zum Tisch, jener in Trainingshose sinniert über Nächstenliebe. Die Umgebung? Trostlos faszinierend: Poster halbnackter Girls, überall unzählige Zettel mit Sprüchen an der Wand. "Ach du heiliger Martin" ist da zu lesen oder "Jammern ist das Letzte". Willkommen bei "Napoleon Raskolnikow im Schnee"!

Die Macher von Tart-Produktion, der Ausstatter und Regisseur Bernhard M. Eusterschulte sowie die Schauspielerin und Regisseurin Johanna Niedermüller, haben sich für ihre Reihe "Wo oben und unten ist" Motive und Texte aus Dostojewskis Roman "Verbrechen und Strafe" vorgenommen, unterstützt von Nina Kurzeja (Choreografie) und Rebecca Mühlich (Dramaturgie).

Das Ergebnis fesselt nicht zuletzt durch seinen Collagencharakter und die Prise dunklen Humors. Da wird über politische Ökonomien ("Wenn ich etwas erwerbe, erwerbe ich es für euch alle!") disputiert, oder über "außergewöhnliche" Menschen, die für den allgemein-menschlichen Fortschritt natürliche Vorrechte genießen sollten. Ist es ein Zeichen von Genialität, dass Napoleon Tausende in Russland in den Tod geführt hat? Heiligt der Zweck die Mittel? Rechtfertigt dies Mord? Wunderbar, wie der Tänzer Tom Baert Balanceakte vollführt, wie Georgi Novakov den Mord auf Bulgarisch schildert oder Klaus Gramüller und Bernard Linke diesen im Geständnischor zu erklären versuchen. Zu Recht stellt eine Bewährungshelferin dem Delinquenten eine schlechte Prognose aus. Aktuelle Ereignisse lassen grüßen! mos

Vorstellungen täglich bis Samstag, 20 Uhr