Freiheit heißt immer Krise TARTproduktion überzeugt in der Rampe mit Illegal / Lenz Von Nicole Golombek
18. Oktober 2010
Björn Bicker hat aus Gesprächen mit illegal in Deutschland lebenden Menschen ein Stück gemacht. Diese erzählen von Liebe, Folter, Angst, Hoffnung. Bernhard M. Eusterschulte vom Ensemble TART kombiniert am Freitag im Theater Rampe „Illegal“ mit Büchners „Lenz“. Seine Inszenierung ist keine Anklage, das Mitfühlen überlässt die kluge Regie dem Zuschauer.
Mareile Metzner, Johanna Niedermüller, Nickel Bösenberg und Robert Atzlinger vor einer Wand mit einer Tür ohne Klinke: sie stehen auf kleinen abgezirkelten Quadraten. Illegale haben eben nur einen engen Raum, in dem sie sich bewegen können, ohne aufzufallen, aufzufliegen. Ein Ausflug an die See? Zu gefährlich ohne Papiere: „Freiheit hießt immer Krise.“ Die Akteure konzentrieren sich auf ihre Stimme, singen, gestikulieren, kommentieren , was andere erzählen, mit indignierten, ironischen, wütenden, mitleidigen Blicken, die sie einander zuwerfen. Auf diese konzentrierte Stunde folgt eine Pause, die dem Abend einige Energie raubt und gezwungen wirkt, zumal die Umbauarbeit zunächst ohnehin vor Publikum stattfindet und gut zur distanzierten Inszenierungsweise passt.
Weg mit den Barrikaden also. Doch obwohl die Akteure nun mehr Platz haben, gerät die Inszenierung etwas hüftsteif. Die vier Illegalen verwandeln sich in Vertreter einer religiösen Gesellschaft, bei der Büchners Lenz Asyl findet. Sie singen sehr schön im Chor „Herzlich Willkommen in Wa-ald-berg“, sind ansonsten dazu verdonnert, apathisch dazusitzen, um zu zeigen, in welch eine steife, festgefahrene Gesellschaft Lenz gerät. Aber immerhin ist so die Bühne ganz frei für die junge Schauspielerin Katharina Kugel, die den Außenseiter Lenz spielt, den Pastor Oberlin herzlich drückt, Kasacok tanzt, russisch und deutsch flucht und dichtet und mit wunderbar energietischen Irrwischszenen überzeugt.